Realität Plus
Für nur 25 Cent erlebten Besucher 1962 in den USA einen historischen Meilenstein: Die »Realitätsmaschine« entführte sie in eine andere Welt. Wer auf dem beweglichen Stuhl Platz nahm und den Kopf in die Öffnung des Apparats steckte, erlebte eine Motorradfahrt durch Brooklyn aus Fahrersicht. Echter Wind wehte durch die Haare, der Stuhl vibrierte und neigte sich zur Fahrtrichtung. Das Sensorama, wie der Kameramann Morton Heilig seine Erfindung nannte, gilt als erste Umsetzung von Virtual Reality, ein multisensorisches Kino, in dessen Filme die Zuschauer eintauchen konnten.

Glaubt man dem IT-Marktforschungsunternehmen Gartner, ist die richtige Zeit für Virtual Reality (VR) jetzt gekommen. Es schätzte in einer Studie, dass nach Perioden der überhöhten Erwartungen und darauffolgender Ernüchterung Virtual Reality in den nächsten fünf Jahren produktiv eingesetzt werden können.
Forscher und Entwickler experimentieren seit langem mit den unzähligen technischen Möglichkeiten: Feuerwehrmänner trainieren hochgefährliche Situationen und Ärzte setzen in Studien VR als Therapiemittel gegen Ängste oder Schmerzen ein. In einer VR-Simulation des St.-Gotthard-Basistunnels wurden Mitarbeiter für einen reibungslosen Ablauf unter der Erde ganz ohne teure Stillstandzeiten geschult. Und an der RWTH Aachen üben Waldarbeiter mithilfe eines 3D-Simulators auf einem KUKA Roboter sicher und realitätsnah Geländefahrten mit einem Holzvollernter.
»Wir haben angefangen, mit Technologien in diesem Bereich zu arbeiten und Lösungen für unsere Kunden, aber auch Lösungen zur Optimierung eigener Prozesse zu entwickeln«, sagt Kerstin Höfle, IP und Strategy Manager bei Swisslog. So können Kunden mit der VR-Brille ihr zukünftiges Lagerhaus erkunden, sich ansehen, wie Mitarbeiter mit den Maschinen interagieren oder testen, wie Zugangswege und Leitungen optimal positioniert werden können.

»Wir reichern sozusagen die reale Welt mit Informationen an«, sagt Thomas Kirner, Teamleiter für virtuelle Inbetriebnahme bei KUKA. Die Arbeit mit der virtuellen Realität gehört für ihn seit vielen Jahren zum Alltag. Sein Team erstellt digitale Abbilder von Anlagen; diese virtuellen Maschinen werden dann programmiert. Funktioniert alles wie gewünscht, wird die Software auf die echte Anlage übertragen. Das spart Zeit und Geld, zudem können Kunden durch komplexe, in der Realität nicht einsehbare Produktionszellen spazieren und ihre Anlage in allen Details bei der Arbeit betrachten. Nicht immer kommt dabei die 3D-Brille zum Einsatz, oft genügt auch der Monitor.
Auf den ersten Blick sehen die Träger der klobigen schwarzen Brillen isoliert aus, tatsächlich kann VR aber die Zusammenarbeit fördern. Wie bei gemeinsamer Projektarbeit im virtuellen Raum, während die Teams eigentlich an unterschiedlichen Orten sitzen. Und das hilft den Mitarbeitern in Zukunft vielleicht auch dabei, kreativer zu arbeiten. Denn in der virtuellen Welt kann das Meeting auch vor einem atemberaubenden Bergpanorama oder am Strand stattfinden, statt im tristen Besprechungsraum.
Quelle Titelbild: iStock/golero